Wer mich kennt, der weiß, dass ich mal Hodenkrebs hatte. Ich habe meine Krebs-Geschichte schon ein paar mal in kleiner Runde erzählt und gehen damit offen um. Nun ist es Zeit, es auch denen zu sagen, die vielleicht mit der selben Diagnose beim Urologen rauslaufen und in diesem Moment nicht wissen, ob es "das nun war" oder was auf sie zu kommt und die vielleicht bei ihrer Suche auf dieses Post treffen.
Da gibt’s bestimmt ne Pille gegen
Was ich oft gefragt werden, wenn das Thema Hodenkrebs aufkommt: Wie weiß man(n), dass man Hodenkrebs haben könnte? Ich gehe hier nicht in die Details aber meine damalige Freundin, die heute meine Frau ist, sagte mir abends im Bett, dass sich da unten was "komisch" anfüllt. Das war ca. 2 Wochen vor dem ersten Besuch beim Urologen. Ich habe das nicht sonderlich ernst genommen und nur versprochen, das ich mal "wenn Zeit ist" zum Arzt gehen. Meiner Meinung nach war da - so gut wie - nichts. Das Thema kam wieder zur Sprache und ich habe einen Termin mit meiner Hausärztin ausgemacht, das war an einem Mo. im Oktober 2005. Ich kann mich nicht mehr exakt erinnern, glaube aber, es war der 10.10.2005. Ich bin als am Vormittag zu der Allgemeinärztin und habe ihr von meinem "Problem" erzählt. Sie meinte, sie könne da zwar nach schauen, aber besser wäre es, sie würde mich gleich zum Urologe überweisen, weil der in dem Fall sicherlich eine besser Diagnose stellen könnte. Ich war immer noch der Meinung "da ist nichts" und habe mir die Überweisung geben lassen mit der ich zu der urologischen Praxis im selben Haus gegangen bin, in der Annahme, ich werden nun einen Termin in "6 Wochen" bekommen, wie es bei Fachärzten üblich ist. Glücklicherweise bin ich sofort dran gekommen. Nach einer Ultraschalluntersuchung meiner Hoden sagte der Arzt, ich solle mich anziehen und dann in sein Zimmer kommen. Das hörte sich nun nicht nach "alles ok" an aber ich war immer noch der Meinung, die kleine Beule am Hoden sei harmlos und mit der Hilfe von ein paar Tabletten aus der Apotheke wieder weg zu bekommen.
Der erste Schock
Ich habe mich also angezogen und bin in das Arztzimmer wo ich dem Arzt angesehen habe, das irgendwas nicht stimmt. Was nicht stimmte, habe ich sehr schnell erfahren als er mir sagte, das ich möglicherweise Hodenkrebs haben. Als ich das Wort "Krebs" gehört habe, habe ich voller Entsetzen - und das Gefühl hatte ich gerade wieder, als ich daran zurück gedacht habe - aus dem Fenster gestarrt und dachte "das war's jetzt". Alles was ich von Hodenkrebs - oder überhaupt von Krebs - wusste, war: Wenn du Krebst hast, dann stehen "die Chancen gut", das du bald den Löffel ab gibst. Ich fragte, was das nun bedeuten würde und was zu tun sei. Er sagte mir, er werde mich in ein Krankenhaus überweisen wo weitere Untersuchungen durchgeführt würde und ich dann das weitere Vorgehen erfahren würde. Die Überlebenschancen bei Hodenkrebst liegen bei ca. 95% lies er verlauten, was mich aber nicht sonderlich beruhigte. Er hat auch gleich im Krankenhaus angerufen und mein Kommen angekündigt. Ich sollte nur noch schnell nach Hause und ein paar Sachen einpacken und dann direkt und sofort ins Krankenhaus wo bereits ein Arzt auf mich wartete. Da ich von der Arbeit zum Arzt bin, bin ich erst dort vorbei gefahren und zu meinem Chef ins Büro um ihm die Diagnose mitzuteilen und das ich wohl jetzt nicht mehr arbeiten kann, weil ich direkt ins Krankenhaus muss. Er hat mir angemerkt, das es mir gar nicht gut ging und fragte mich, ob ich überhaupt fahren kann, da ich ca. eine 3/4 Stunde Weg vor mir hatte. Ich wollte natürlich selbst mit meinem Auto fahren und bin los auf den Weg nach Hause wo meine Freundin und unsere Tochter waren, die noch von nichts wussten.
Stark sein!
Als ich los fuhr, war mir immer noch schlecht, elend, flau und übel. Was jetzt dazu kam war das Problem, wie ich das meinen Lieben zu Hause schonend beibringe. Eines wurde mir dabei schnell klar: Wenn ich total fertig zu Hause ankommen würde, dann wären "meine Frauen" noch geschockter von der Nachricht. Ich versuchte mich also zusammenzureisen und sei es nur deswegen, das meine Freundin und meine Tochter sich weniger Sorgen machten. Ich kann heute nicht mal mehr genau sagen, wie ich es gemacht habe, aber nach ca. 15 der 45 Km, die ich fahren musste, war meine Angst weg und einem trotzigen "OK, jetzt ist es so, da muss ich durch. Das wird schon" gewichen. Ich habe laut Musik gehört und bin nach Hause gefahren um zu berichten, eine Tasche zu packen und mich dann auf den Weg ins Krankenhaus zu machen.
Erst mal ne Pizza
Erstaunlich ruhig bin ich zu Hause angekommen und habe von der Diagnose berichtet nicht auslassend, dass es sich immer noch um falschen Alarm handeln könnte, den ich müsse ja noch ins Krankenhaus um eine weitere Untersuchung durchzuführen. Trotzdem war das Entsetzen bei meinem Lieben zu Hause mindestens genau so groß, wie das Entsetzen von mir beim Urologen, als ich erfuhr was Sache ist. Ich habe eine Tasche mit ein paar Klamotten und Waschzeug gepackt und bin Richtung Krankenhaus aufgebrochen. Da war es so gegen 13.00 Uhr am 10.10.2005. Auf dem Weg zum Krankenhaus bin ich durch einen kleinen Ort gekommen, wo an der Hauptstrasse ein "Pizza&Kebap Haus" stand und da viel mir auf, dass ich noch nichts gegessen hatte also habe ich erst mal eine Salami-Peperoni-Pizza gegessen. Frisch gestärkt bin ich dann zum Krankenhaus gefahren.
Ei ab
Im Krankenhaus angekommen, habe ich erst mal einen Anschiss vom Arzt bekommen, der schon auf mich gewartet hatte. Er hatte wohl nicht mitbekommen, das ich ca. 70 Km zurücklegen musste zzgl. Halt zu Hause und an der Kebapbude. Eine weitere Ultraschalluntersuchung - die nicht nur s/w Bilder sondern Farbbilder produzierte - später war klar, das mindestens ein Hoden von Krebs befallen war. Das Prozedere in so einem/meinem Fall ist einfach: Das "Ei" muss weg und zwar schnell! Operationstermin war am nächsten Tag um 7.00 Uhr. Bin dahin durfte ich Heim wo ich von meinem bisher erlebte nochmals berichtet habe.
Sparen im Krankenhaus
Am Di. morgen war ich pünktlich im Krankenhaus wo ich für die Operation vorbereitet wurde, was vor allem darin bestand, eine Intimrasur zu bekommen. Da ich mir meine "Das wird schon" Einstellung behalten hatte, war die Zeit vor der OP problemlos und ich bin nach dem Aufwachen in ein Zimmer gebracht worden, wo mir mitgeteilt wurde, dass ich um 16.00 Uhr nach Hause könne. Ich bin kein Arzt und hatte vorher auch noch nie eine OP aber ehrlich gesagt füllte ich mich nicht so gut dabei, gleich wieder nach Hause zu gehen wo ich ohne Unterstützung von Fachpersonal war. Aber egal! Das nächste Problem: Ich durfte und konnte auch gar nicht Auto fahren. Da ich mit dem Auto gekommen war, musste ich organisieren, dass mich jemand abholt und dabei mein Auto nach Hause gebracht wird. Danke hier an meinen Chef und seine Frau die mir dabei geholfen haben.
Krank geschrieben
Die nächsten 10 Tage war ich Krank geschrieben und durfte in einem Verband, der einer sehr sehr eng anliegend Unterhose ähnelte, herumlaufen und ab und an ins Krankenhaus um die Tumormarker zu checken, wobei immer eine Blutentnahme notwendig war, was mich tierisch angekotzt hat. Ich glaube in der Zeit wurden mir mehr Picker mit einer Nadel versetzt als in den 34 Jahren vorher. Man sagt ja, dass man sich mit der Zeit an alles gewöhnt, aber ich hatte das Gefühl, das es mit jedem mal unangenehmer und ekliger wurde. Natürlich wurden auch CTs durchgeführt um zu schauen ob sich der Krebs an weiteren Stellen im Körper ausgebreitet hat. In der Natur der Sache liegt, dass man viel mit medizinischen Themen zu tun. Ich bin keine Arzt und sollte ich hier falsche Begriffe verwende oder gar falsche Behauptungen aufstellen: So habe ich das heute in Erinnerung.
Wieder bei der Arbeit
Nach den 10 Tagen bin ich wieder zur Arbeit und hatte das Gefühl, dass alles in Ordnung ist. Ich wusste auch nicht, was evtl. auf mich zukommen würde und habe auch nicht danach gefragt. Meine Erfahrung heute: Ohne eine anschließende weitere OP oder Chemotherapie geht i.d.R. nichts. So war es auch bei mir. Da der Verdacht bestand, dass im Bauchraum bereits Lymphknoten befallen waren, wurde ein weiterer Operationstermin anberaumt.
Zweite OP
Ich musste wieder ins Krankenhaus und zwar am 24.11.05, einem Donnerstag. Die folgenden Operation sollte etwas komplizierter und umfangreicher werden weswegen mir vorab mitgeteilt wurde, das ich bis zu 5 Tage auf der Intensivstation sein könnte und möglicherweise auch Nerven verletzt werden könnten, die die Verbindung zwischen Kopf und Penis herstellen. Gute Aussichten, dachte ich mir. Ich bin also am 24.11. in Krankenhaus und auf der urologischen Station gelandet. In dem 6 Bett-Zimmer waren nur ältere Herren die sich ihre Prostataleiden behandeln liesen und ein älterer Türke mit einem Leberproblem. Da bei der OP der Darm aus dem Bauchraum entnommen wird um an die Lymphknoten an der Rückeninnenseite zu kommen, musste dieser leer sein. Das bedeutete in meinem Fall das ich ca. 6 Liter eines etwas dickflüssigen Getränkes trinken musste. Das hatte zur Folge, dass ich sehr oft auf die Toilette musste, allerdings nicht zum pinkeln! Gehen Ende der "Trinkkur" musste ich in eine Bettpfade kacken bis meine Stuhlgang nur noch aus dem Getränk bestand, das ich zu mir nahm, und ohne feste Bestandteile war. Zwischenrein hatte ich Gespräche mit den Arzt, der operierte und dem Anästhesist, der für die Narkose zuständig ist. Die Anästhesisten sollten im den folgenden Tagen meine besten Freunde werden. Die Ärzte fragten mich ob ich nicht nervös sei, wegen der großen OP. War ich nicht und mein Antwort war: "Ich muss nichts tun. Wenn einer aufgeregt sein sollte, dann vielleicht der Arzt". Am 25.11. stand die OP an und ich wurde um 5 Uhr geweckt um mich zu duschen und wieder rasiert zu werden. Dann OP Klamotten an, gleich mal ein Beruhigungsmittel und dann in die OP Schleuse. Die Alte, die mir da die Braunüle in die Vene des Handrückens gerammt hat (gerammt ist hier der korrekt Ausdruck) hätte ich in diesem Augenblick den Hals umdrehen können, vor allem weil Sie dabei noch sagte, dass das das letzte wäre, was weh getan hätte. Ja, Danke auch! Aber tatsächlich wurde es aber diesem Zeitpunkt finster und ich kam im Aufwachraum wieder zu mir. Vom Aufwachraum komme ich auf die Intensivstation. Ich fühle mich – benebelt durch das Narkosemittel oder auch Schmerzmittel – den Umständen entsprechend sehr gut und schicke sogar aus meinem Intensivstationszimmer SMSes an meine Familie, Bekannte & Freunde, das es mir gut geht. Ich merke, das ich pinkeln muss, und melde mich bei Pfleger. Der sagt, das sei kein Problem, den ich hätte einen Katheder und könne es laufen lassen. Prima denke ich und lass es laufen. Mit der Zeit stelle ich fest, das ich neben diesem Schlauch noch eine Schlauch in der Nase habe, so ein Ding an der Nase für Sauerstoff dann einen im Rücken der direkt ans Rückenmark geht und meinen Körper wohl mit irgend einem Schmerzmittel versorgt und einen der seitlich am Hals ist. Zudem steckt in einer Öffnung der Narbe, die sich von 10 cm unterhalb des Bauchnabels bis fast hoch an den Solarplexus erstreckt, ein Schlauch, der Wundflüssigkeit abführt und mir noch “Freude” bereiten wird. Also an Schläuchen mangelt es nicht! An was es mangelt, sind Intensivstationplätze. Als ein Notfall – Motorradunfall – reinkommt, muss ich meinen Intensivstationplatz räumen und Platz machen. Ich werde am Nachmittag wieder auf mein Stationszimmer in der Urologie gebracht obwohl vorher noch von einem bis zu 5 tägigen Intensivstationaufenthalt die Rede war. Jetzt sind es nicht mal 5 Stunden vergangen. Aber ich bin – auch auf Grund der sehr guten Schmerzmittel, die man unter Intensivüberwachung (!!) bekommt – guter Dinge. Diese gute Laune legt sich ziemlich schnell, als ich auf der normalen Station bin, wo andere Schmerzmittel wesentlich weniger dosiert zum Einsatz kommen, weil für die starken Mittel eben eine besser Überwachung notwendig ist. Meine Freundin kommt zu Besuch, ich liege da, halte mir die schmerzende Narbe. Der Schlauch der durch die Nase in den Rache und weiß der Teufel wohin führt erschwert das Schlucken und ich habe deswegen schon Halsschmerzen. Fokus momentan: Ich bin dankbar um jeden Schlauch, der meinen Körper wieder verlässt. Die nach von Fr. auf Sa. ist hart und ich schlafe wenig.
Erster postoperativer Tag: Sa. 26.11.05
Es ist Sa., der 26.11.09 und somit der erste Tag nach der OP. Mir geht es schlecht weil ich Schmerzen habe und jede Bewegung und vor allem Husten unterdrücken will, da Husten dazu führt, das sich meine Bauchdecke stark bewegt, was erhebliche Schmerzen zur Folge hat. Ich muss schlecht aussehen, den meine Freundin und meine Eltern sind entsetzt, als sie ins Zimmer kommen. Sie merken, dass es mir nicht gut geht und holen eine Schwester, die sie auch gleich ordentlich rund machen, das das wohl nicht sein könne, das ich jetzt schon hier sei und nicht auf der Intensivstation. Ich werde, da sie für mich auf der Station nichts tun können, zu den Anästhesisten gebracht wo ich sofort in den “Anschluss” an meinen Hals eine Spritze bekommen und es mir dadurch augenblicklich besser geht. Ich sag’ ja, die Anästhesisten sind meine Freunde. Während ich also im OP Aufwachbereich liege wo ich überwacht werde, bzgl. der Wirkung des Schmerzmittels kommt ein Pfleger und sieht, das ich immer noch den Schlauch in der Nase habe, der mir die Halsschmerzen beschert. Er fragt den erstbesten Arzt, der vorbei kommt, ob der Schlauch entfernt werden kann, was dieser nach einer Rückfrage verneint. Da der Pfleger merkt, das ich den Schlauch aber loswerden will, fragt er einen zweiten Arzt, der dem Vorhaben zustimmt. Also kurz am Schlauch ziehen und mein Hals fühlt sich plötzlich viel besser an. Der erste Schlauch ist weg. In nächster Zeit werde ich meinen Fortschritt im Krankenhaus daran messen, wie viele Schläuche weg sind. Ich bin übrigens alleine in dem 4 Bettzimmer.
Zweiter postoperativer Tag: So. 27.11.05
Wie ich erfahre, wurden die rausgeschnittenen Lymphknoten zum Pathologe geschickt der eine histologische Untersuchung durchführt, was wohl soviel heißt, dass er die Lymphknoten in dünne Scheiben schneiden und nach Krebszellen sucht. Wie er es macht ist mir eigentlich auch egal, wichtig ist, ob er was findet oder nicht, aber das dauert noch etwas.
Die Tage nach der OP
Mit geht es von Tag zu Tag besser und ich laufe, gestützt auf meinen Infusionsständer durch die Gänge, immer noch schwach aber schon besser drauf. “Mein” Zimmer fühlt sich auch schon wieder und die Zimmerkollegen, die ich am Do. zum ersten mal gesehen habe, sind wieder da. Mein türkischer Bettnachbar wird nach seiner OP auch reingeschoben und schaut wahrscheinlich so schlecht aus, wie ich einen Tag nach der OP. Wir feixen herum und machen uns einen Spaß daraus, ein “Wettrennen” zu machen, wer wohl als erstes wieder aus dem Krankenhaus raus darf. Ich sehen meine Chancen mehr als gut, wenn ich meinen Zustand mit seinem vergleiche. Gradmesser des Fortschritts sind die Anzahl der noch am Körper befindlichen Schläuche bzw. die Zahl der entfernten. Es geht aufwärts, ich rede Blödsinn und albere mit Zimmerkollegen herum. Besucher kommen und gehe und einer bringt sogar einen 24-Flaschen Kasten Tuborg Bier der als Adventskalender hergerichtet ist. Nach Bier ist mir (noch) nicht aber ist ja nicht schlecht, so einen Kasten Bier in greifbarer Nähe.
Good News & Bad News
Abends unter der Woche – es war glaube ich ein Dienstag - kommt ein Stationsarzt zu mir und sagt, er habe eine gute Nachricht, nämlich das bei der histologischen Untersuchung nichts gefunden wurde, also in den entfernten Lymphknoten kein Krebsgewebe war. Ich hab die frohe Botschaft gleich per SMS weitergegeben und daraufhin hat mich mein Cousin am nächsten Abend mit einer Flasche Sekt in der Hand besucht. Ich hab mir auch einen Becher genehmigt und war aller bester Laune.
Nun kam der Donnerstag, Tag der Chefarztvisite. Am morgen gegen 8.00 Uhr kam ein Tross von ca. 8 Ärzten die mit den Chefarzt ihre Runde durch die Zimmer der Station drehen. Ich höre den Stationsarzt noch sagen: “Patient, 34 Jahre alt, BlaBla Karzinom, soundsovielter postoperativer Tag” und das anscheinend alles i.O. sei. Darauf hin der Chefarzt: “Nicht ganz, ich habe einen neuen Bericht vom Pathologen bekommen” und zu mir gewandt “ist aber nur ein Blechschade”. Mit diesem Satz setzte sich der Tross wieder in Bewegung und verlies das Zimmer. Ich denke, ich höre schlecht! Blechschaden – und was bedeutet das? Ich also aufgestanden, raus auf den Gang und mir einen der Ärzte gegriffen und gefragt, was das zu bedeuten hat. Er meinte, das bei den histologischen Untersuchungen doch was gefunden wurde aber mir alles weitere die Frau Dr. Käfer, Onkologin, erzählen würde. Und dann ging er und ich Stand im Gang vor meiner Zimmer. Ich habe mich in diesem Augenblick annähernd genau so schlecht gefüllt, als in dem Augenblick, wo der Urologe mir mitgeteilt hat, das ich wahrscheinlich Hodenkrebs habe. Ich bin zurück ins Zimmer, habe mich auf mein Bett gelegt und erst mal laut ein paar Lieder der Reign in Blood Scheibe von Slayer über Kopfhörer angehört. Mein erster Schock legte sich und nach ca. einer halben Stunde war ich bei der Einstellung “OK, doch noch nicht vorbei, aber jetzt erst recht, ich lasse mich nicht unterkriegen”. Ich bin bis zu diesem Tag in einem normalen Schlafanzug rumgelaufen aber das schien mir die falsche Aufmachung um gegen den Krebs weiterzukämpfen. Ich habe also ein schwarzes T-Shirt und eine schwarze Hose angezogen und habe mich auf die Suche nach der Frau Dr. Käfer gemacht, die die onkologische Abteilung leitet, die sich mit der Erkrankung Krebs befasst, den ich wollte nicht tatenlos da liegen und warten bis die gute Frau “irgendwann im laufe des Tages” (Aussage anderer Arzt) kommen würde. Ich also in die Onkologie und die erst beste Schwester nach der Dr. Käfer gefragt. Die entgegnete mir, das die Frau Dr. oben sei und Ultraschall machen würde. Auf die Frage, wann sie den wieder kommt, gab es als Antwort: “Weiß ich nicht”. So bin ich alle Stunde in die Onkologie aber von der Dr. Käfer war weit und breit nichts zu sehen. Gegen 19.00 Uhr (die Visite war um ca. 8.00 Uhr!!) kam die gute Frau dann und wir gingen in ein Zimmer um das weitere Vorgehen zu besprechen. Ich hatte die Befürchtung, das eine Chemotherapie gemacht wird, aber keine Ahnung, wie die ablaufen würde. Ich würde schnell und freundlich aufgeklärt. Für mich waren 3 Zyklen festgelegt worden. Ein Zyklus dauerte 2 Wochen und sah so aus: Am Mo. ins Krankenhaus und dort bis Sa. morgen bleiben. Am Sa. nach Hause und am Mo. nochmals ambulant in Krankenhaus. Dann zuhause bleiben und am Mo. darauf den nächsten Zyklus starten. Aber noch war ich von der OP zu schwach, um die Chemotherapie machen zu können.
Der letzte Schlauch versaut mir den Sieg
Ich habe ja oben geschrieben, dass ich einen kleinen Wettbewerb am laufen hatte mit meinem Bettnachbarn, wer als erster alle Schläuche los hat und somit das Krankenhaus verlassen darf. Ich war gut dabei denn ich hatte nur den den Schlauch, der aus meiner Operationsnarbe Lymphflüssigkeit abtransportierte und in einen Beutel beförderte, der an meinen Fußknöchel befestigt war. Dieser Schlauch kommt aber erst raus, wenn über diesen weniger als 50ml Flüssigkeit am Tag meinen Körper verlassen und das war ich zwar knapp dran, aber eben nur knapp und so kam es, das mein Bettnachbar das Krankenhaus vor mir verlies. Als der Schlauch dann gezogen werden sollte hatte er sich wohl innen am Körper verklebt und als der Arzt ihn ziehen wollte hatte ich furchtbare Schmerzen aber der Schlauch rührte sich keinen Millimeter. Bei einem zweiten Versuch ein paar Tage später wurde mir ein Beiskeil gegen die Schmerzen angeboten und zudem würde mir prophylaktisch ein Tropf mit Schmerzmittel verabreicht. Der Schlauch ging ruck-zuck raus und ich war schlauchlos und dann auch schon bald endlich - nach über 14 Tagen – aus dem Krankenhaus raus. Nun konnte ich mich eine Woche zuhause erholen bevor die nächste Behandlung - die Chemotherapie – am 19.12.05 los ging.
Chemotherapie
Am Mo, den 19.12.05 bin ich also wieder ins Krankenhaus auf die Onkologie wo ich einen neuen Zimmerkollegen bekam, den Jörg, der auch Hodenkrebs hatte. Er hatte bereits mehrere Zyklen hinter sich und war sozusagen der Chemotherapieexperte von uns zwei. Wir verstanden uns auf Anhieb gut. Gleich am Morgen wurde eine zentraler Venen-Katheter gelegt über den die Infusionen verabreicht werden sollten. Etwas unangenehm aber nichts, was mich als “Krankenhausprofi” schocken könnte. Dann gab es durchgehend Infusionen. Die eigentlichen Zytostatika kam dann in Form von 1 oder 2 Spritzen, die es aber nur am Mo. gab und einer Infusion, die es täglich am Nachmittag gab und die dafür sorgte, das sich ein metallischer Geschmack im Mund breit machte. Viele hören das es dir bei einer Chemotherapie schlecht wird und du kotzen musst und so ging es auch mir. Nach der ersten “Ladung” habe ich damit gerechnet, dass es mir bald schlecht wird. Aber nichts davon zu merken. Das störendeste waren die Infusionen mit allerlei anderen Mitteln, die 22 Stunden am Tag dran ware und nur zwischen 7.00 und 9.00 Uhr weg kamen. Zudem würde ich am liebsten die Firmen verklagen, die die Infusiomaten entwickelt haben, die die Durchflussmenge regeln und einen Alarm abgeben, wenn was nicht stimmt. Diese Scheissdinger hupten bei meinem Bettnachbarn oder mir regelmäßig und mehrmals Nachts los. Wir haben es aufgegeben den Nachtdienst zu rufen und gelernt, die Störung selbst zu beheben.
Wann wird’s mir schlecht?
Wenn das Thema Chemotherapie aufkommt, dann fallen meist 2 Stichwörter: Haarausfall und Übelkeit. Ich habe also damit mit beiden gerechnet. Die Übelkeit setzte auch langsam an Mittwoch ein. Am Donnerstag fühlte es sich an wie ein mittelschwerer “Kater” und am Freitag wie ein richtiger Kater. Die Haaren hielten aber (noch). Am Samstag dürften wir dann nach Hause, es war 24.12.05, Heiligabend. Da am Montag der zweite Weihnachtsfeiertag war, war die erste ambulante “Montagssitzung” am Dienstag. Dort gibt es eine Spritze und eine Infusion und nach ca. 2 Stunden darf man wieder nach Hause. Am Mittwoch hatten wir zuhause Besuch und natürlich kam auch das Thema Chemotherapie auf. Ich erzähle wie es mir so ergeht und das die Haare halten. Zum Beweis fahre ich mit den Finger durch mein längeres Haar und das hängt nun buschelweise zwischen meinen Finger. Es geht also los – die Haare lassen raus. OK, damit es keine Sauerei gibt, lassen ich mir die Haare gleich abrasieren den was habe ich davon, wenn sie ausfallen und überall herum liegen. Am Montag darauf geht es in die zweite stationäre Woche Chemotherapie gefolgt von einer Woche zuhause und der ganze Zyklus noch einmal bis ich dann Ende Januar die Chemotherapie angeschlossen ist. Mein Fazit nach der Chemotherapie: Ist zwar unangenehm aber auch nicht so schlimm, wie man vielleicht vermuten würde. Wohlgemerkt, ich spreche hier von meiner Erfahrung bei meiner Chemotherapie!
Ich will Normalität!
Nach einer weiteren Woche zuhause geht es dann noch zu einer Kur, die ich nach 4 Wochen abschließe. Der Arzt will mich weiter krankschreiben, aber ich will wieder arbeiten. Das wichtigste, das ich jetzt brauche ist wieder Normalität in meinem Leben! Die erste Zeit musste ich jedes halbe Jahr zur Vorsorgeuntersuchung zum Urologen der die Tumormarke prüft und per Ultraschall die inneren Organe. Jetzt muss ich noch einmal im Jahr hin.
Es ist alles Gut!